Verborgene Potenziale aktivieren

Mitarbeiterproduktivität und Teamorientierung

„Am weitesten verbreitet und am schwersten zu entdecken ist die Vergeudung menschlicher Arbeitskraft. Denn sie hinterlässt keinen Schrott, den man auffegen muss“, wusste schon Henry Ford. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit fürchten viele Unternehmen um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Sie optimieren Prozesse und reduzieren Kosten. Doch eines der größten Potenziale zum Erhalt und zur Steigerung der Zukunftsperspektiven bleibt ungehindert brach liegen: die Mitarbeiter.

Wie Mitarbeiter zu Höchstleistungen gebracht und damit Unternehmen wieder sicherer in die Zukunft blicken können, zeigte Karin Brämisch-Meyer von Change Management Consulting während ihres Vortrages im C-Lab Paderborn auf.

„Mit Hilfe von praktischen Methoden und einfachen Anleitungen für den Alltag können Unternehmer und Führungskräfte nicht nur die eigene Position ihres Unternehmens erkennen. Es gibt Mittel und Wege, wie sie schnell und effektiv positive Veränderungen bewirken können, ohne großen Einsatz von finanziellen Mitteln“, meint Brämisch-Meyer.

Heute können sich nur die Unternehmen auf dem Markt behaupten, die ihre Potenziale auf dem Gebiet der Mitarbeiterproduktivität nutzen.

Mitarbeiterproduktivität: Ungeahnte Potenziale

Studien wie die Czpin-/Gallup-Produktivitätsstudie haben nachgewiesen, dass die Mitarbeiterproduktivität bei den meisten Unternehmen im Schnitt bei lediglich 63 % liegt. Dabei gilt als produktive Zeit die Dauer, die ein Mitarbeiter für Tätigkeiten aufwendet, die für seine Arbeit relevant sind. Das optimale Produktivitätsniveau liegt bei einem Wert von 85%. 22% Entwicklungspotenzial liegen also brach.

Die Ursachen für niedrige Mitarbeiterproduktivität bestehen zu 45 % aus mangelnder Planung und Aufsicht. Neben unzureichend definierten und nicht rechtzeitig kommunizierten Zielen fehlt es häufig an einer entsprechenden Berichterstattung und an effektiven Messverfahren. Hinzu kommen mangelnde Effektivität, weil nicht die richtige Arbeit ausgeführt wird und fehlende Effizienz, weil die Arbeit nicht richtig getan wird.

Mit immerhin noch zu 20 % ist das Management der Grund für die schlechten Werte. Führungskräfte verstehen ihre Rolle zu wenig als Coach oder Vermittler, sie kümmern sich selbst zu sehr um Details, dabei sollten sie mehr Aufwand in die Antizipation und das Verhindern von Problemen stecken. Häufig werden Führungskräfte auf ihre Aufgabe, Mitarbeiter zu führen, unzureichend vorbereitet.

Aber auch die schlechte Arbeitsmoral führt zu unproduktiven Zeiten (11%). Mangelnder Teamgeist, geringe persönliche Wertschätzung der Einzelnen oder niedrige Motivation sorgen dafür, dass es mit der Arbeit nicht so richtig voran geht.

Schließlich ist es auch die ineffektive Kommunikation, die Zeit verschwendet: Komplizierte Fachausdrücke führen zu Missverständnissen. Abteilungen verständigen sich nicht untereinander. Unternehmensziele, Arbeitsplatzbeschreibungen oder Beurteilungssysteme werden nicht verstanden oder fehlen häufig ganz.

Um die Mitarbeiterproduktivität zu verbessern, muss sie zuerst einmal messbar gemacht werden. Niedriges Produktivitätsniveau lässt sich heute nicht mehr leicht an hoher Fluktuation und erheblichen Fehlzeiten erkennen. Die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers zu wechseln sind heute eher begrenzt und krankheitsbedingte Fehlzeiten gehen auch zurück, da die Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz fürchten. So gelten heute andere Messgrößen, die je nach Aufgabe und Branche unterschiedlich sind. Brauchbare Messgrößen sind zum Beispiel Kundenzufriedenheit, Termintreue, Reklamationen, Fehlzeiten und Materialkosten.

Gemeinsame Sprache – gemeinsame Ziele

Nur wenn Mitarbeiter und Management klar und messbar definieren, was erreicht werden soll, lässt sich daran auch der Erfolg ablesen. Dazu sind Ziele unbedingte Voraussetzung. Sie müssen festgelegt, kontrolliert und bei Abweichungen korrigiert werden. Eine einfache und effektive Regel zur Definition von Zielen ist die SMART-Methode. Es sollten nur Ziele festgelegt werden, die simpel, messbar, aktiv beeinflussbar, realistisch und terminiert sind. Zur besseren Kontrolle eignen sich Teilziele mit zeitnaher Überwachung. Bei Problemen ist die Unterstützung der Mitarbeiter in Form der Hilfe zur Selbsthilfe ein probates Mittel.

Arbeitslust statt Arbeitsfrust

Mitarbeiter, die Freude an der Arbeit haben, leisten mehr. Bei konsequenter Umsetzung ist dieser Zustand mit wenig Aufwand zu erreichen. Die Kenntnis der Stärken und Schwächen, die Berücksichtigung von persönlichen Werten oder Vorlieben sowie ehrliche Anerkennung und gerechtfertigte Kritik durch die Führungskräfte haben stets ein positives Arbeitsklima zur Folge. „Was jeden einzelnen Ihrer Mitarbeiter motiviert, können Sie als Führungskraft im persönlichen Gespräch mit dem Mitarbeiter herausfinden“, so Karin Brämisch-Meyer.

Es gibt viele Hürden bei der menschlichen Kommunikation, die täglich zu vielen Missverständnissen führen. Deshalb ist verstehen wichtiger, als verstanden zu werden. Nur wer richtig zuhört, kann erfassen, was sein Gesprächspartner tatsächlich meint und kommuniziert wirklich. Jede Führungskraft muss daher ganz bewusst darauf achten, den Mitarbeitern verständliche Informationen zu geben und entsprechende Rückmeldungen einfordern. Wird die Kommunikation im Unternehmen verbessert, erhöht sich die Mitarbeiterproduktivität deutlich.

Konstruktiver Umgang mit Kritik

Kritik ist ein sinnvolles Mittel, Fehlentwicklungen entgegen zu steuern. Damit sie effektiv ist, gilt es für jeden, die Kritik nicht in sich hineinzufressen, sondern sie beim Betroffenen direkt anzubringen – und zwar kontrolliert. Kritik sollte konkret und unmittelbar erfolgen, der Person und Situation angemessen sein sowie persönlich in der Ich-Form vorgebracht werden. Hilfreich ist es, dem Gegenüber mitzuteilen, wie man eine Situation wahrgenommen hat, wie sie gewirkt hat und wie man sie sich in Zukunft wünscht. Für jemanden, der Kritik einstecken muss, ist es von Vorteil, wenn er sich nicht gleich rechtfertigt, sondern konkrete Fragen stellt, zuhört und ausreden lässt. Halten sich alle an diese Regeln, lassen sich konstruktive Lösungen finden und konkrete Maßnahmen vereinbaren.

Die Teamorientierung zählt ebenfalls zu den wichtigsten Elementen erfolgreichen Arbeitens in Unternehmen. Deshalb ist der erste Grundsatz: Vereinbaren Sie mit Ihrem Team Ziele, Aufgaben, Werte, die von allen Teammitgliedern unterstützt werden. Jeder im Team muss wissen, wohin es gehen soll und was genau der eigene Beitrag und die eigene Verantwortung zur Zielerreichung ist.
Jeder Mensch ist anders, in jedem Team sind unterschiedliche „Typen“ versammelt mit individuellen Stärken und Schwächen, und das ist gut so. Denn jede Aufgabe im Unternehmen erfordert unterschiedliche Stärken.

Langjährige Studien innerhalb des Siemens-Konzerns haben erwiesen, dass Teams, in denen alle Typen vertreten sind, deutlich effektiver arbeiten.

Der richtige „Typ“ am richtigen Platz

Es gibt den „Berater“, der informieren und erneuern will, er sorgt immer wieder für neue kreative Ideen. Die ständig neuen Ideen hindern ihn aber daran, diese Ideen wirklich im Unternehmen umzusetzen.

Der „Entdecker“ wählt unter den Aspekten: Kosten, Nutzen und Machbarkeit die vom „Berater“ entwickelten Ideen aus und präsentiert sie, um die Akzeptanz zum Beispiel bei Mitarbeitern und Kunden zu prüfen.

Wurde entschieden, eine Idee umzusetzen, schlägt die Stunde des „Organisators“. Er plant und steuert die Umsetzung. Diese „Typen“ trifft man häufig in der Produktionsplanung an.

Für die Erfolgskontrolle ist nun der „Controller“ verantwortlich. Er überwacht, ob die gewünschten Ziele erreicht wurden, zeigt Abweichungen und Verbesserungspotenzial auf.

Der Kreis schließt sich, weil nun wieder der „Berater“ Ideen zur Lösung entwickeln kann und muss.

Gelingt es einem Unternehmen durch Kommunikation und Analyse herauszufiltern, welche Mitarbeiter welche Rollen besonders gut erfüllen können, und werden die Teams optimal besetzt, können große Produktivitäts- und Kreativitätspotentiale freigesetzt werden.

Dabei ist es entscheidend, dass sowohl die Führungskraft als auch die „Teammitglieder“ um die einzelnen Phasen der Teamentwicklung wissen, sie mittragen und gestalten. Diese Phasen sind:

  • Klärung von Funktionen und Aufgaben: Was ist zu tun?
  • Klären der Beziehungen und Abgrenzen der Arbeitsbereiche: Wer ist für was verantwortlich?
  • Entwicklung von Spielregeln: Wie wollen wir miteinander umgehen?Sicherung des
  • Erfolges: Wie können wir uns verbessern?
  • Wenn sich alle Teammitglieder wertschätzend begegnen und die Prozesse optimal gestaltet sind, werden Hochleistungen erreicht.

Vor allem in den Bereichen Führung und Motivation liegen also die entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine bessere Mitarbeiterproduktivität. „Klare Zielsetzungen, Kontrollen der Ziele und Korrekturen von Zielabweichungen sind unabdingbare Grundlagen des Führungskreislaufes. Jeder Mitarbeiter hat ein Recht auf die Kontrolle seiner Leistung“, betont Brämisch-Meyer die besondere Verantwortung der Führungskräfte. „Wollen, Können und Dürfen der Mitarbeiter sind dabei zentrale Elemente der Mitarbeitermotivation. Jede Führungskraft sollte Stärken, Schwächen, Neigungen und Werte seiner Mitarbeiter kennen und fördern, so dass jeder einen „Arbeitsplatz finden kann, auf dem er seine Potenziale zur Entwicklung bringt.

„In der Steigerung der Mitarbeiterproduktivität liegen enorme Chancen. Führungskräfte tragen hier eine besondere Verantwortung. Dieser Verantwortung werden Sie gerecht, wenn Sie die folgenden Schritte systematisch bearbeiten. Überlegen Sie, mit welchen Kennzahlen Sie die Produktivität Ihrer Mitarbeiter messen können. Vereinbaren Sie mit Ihren Mitarbeitern Ziele und kontrollieren Sie diese Ziele konsequent.

Schaffen Sie ein wertschätzendes Arbeitsklima, indem Sie Leistungen anerkennen aber auch, wenn notwendig, kritisieren“, so Karin Brämisch-Meyer.

Karin Brämisch-Meyer, markt & wirtschaft in OWL, 7/2004